Es klang ja bereits an, wir haben die Osterwoche in Ligurien verbracht. Ein Trip, der auch im Blick auf die Ersterfahrungen als EV-Driver ereignisreich war.
Doch von vorn. Die Vorfreude war riesig, schließlich waren die Temperaturen bei der Abfahrt noch frostig, während uns am Ziel annähernd 20° C erwarteten. Der geplante Start für die knapp 900km war für 8:00 Uhr geplant, vor allem, um zu einer verträglichen Zeit den Wohnungsschlüssel in Empfang zu nehmen. Tatsächlich waren wir bereits vor 7:00 Uhr mit einem vollgeladenen Akku auf der Strecke. Es sollte sich zeigen, dass das eine ziemlich weise Entscheidung war.
Über das entspannte Dahingleiten im ID4 muss man ja nicht viel sagen. ACC aktiviert, 120km/h gewählt und dann aufmerksam bleiben, während das Auto einen Großteil der Aufgaben übernimmt.
Die erste Grobplanung mit „A better Routeplanner“ sagte einen ersten Ladestopp in Rastatt, einen zweiten kurz vor der Schweizer Grenze und einen dritten hinter dem Gotthardtunnel voraus. Da wir (wohlweislich) nicht leer ankommen wollten, haben wir einen vierten Stopp hinter Mailand erzwungen, um mit mindestens 30% SoC am Ziel anzukommen.
Um es kurz zu machen: Der erste Stopp war bereits in Bruchsal fällig. Die Rastanlage dort war bei Einweihung sicher mal ein Idyll. Mit einem kleinen Teich, Hotel und Tagungsstätte usw. Mit geschätzten 20-30 Jahren auf dem Buckel und einem stetig gewachsenen Verkehrsaufkommen bot das ganze dann einen nicht sooo netten Anblick. Die am WE gestrandeten LKW standen kreuz und quer, der Weg um den Weiher war erkennbar voller Müll und (etwas verborgen) auch zum Trucker-Klo mutiert. Forstarbeiten hatten den Weg zudem noch in Mitleidenschaft gezogen, so dass das „Naherholungsgebiet Rastplatz“ hier nicht so wirklich funktionierte. Aber immerhin: Bis zum heutigen Tag wurden mir die geladenen KWh dort nicht in Rechnung gestellt.
Dann weiter der Sonne entgegen bis zum nächsten Halt am Autohof Bremgarten. Schon der zweite EON Lader funktionierte und das sogar recht schnell, so das wir nur noch eben die Vignette für die Schweiz und eine zusätzliche Warnweste erwerben brauchten, um bestens gerüstet das Land der Eidgenossen zu erreichen.
Spannend wurde es dann kurz vor dem Gotthard-Tunnel. Es zeigte sich, das das Navi im ID4 die Geographie (und das eigene Sicherheitsbedürfnis) nur unangemessen berücksichtigte. Der Ladestopp am Rastplatz Gotthard Süd war immer unumstritten. So sprach auch das Navi. Allerdings. Wenn du zehn Kilometer vor dem Tunnel in einen Stau gerätst, der bergauf geht und du Schritt für Schritt deine Restreichweite schwinden siehst…
…dann ertappst du dich plötzlich dabei, wie du die genaue Länge des Tunnels googelst! Und die Klimaanlage mal ausschaltest… Aber es ging natürlich gut. Und es reichte locker. Bei aller Konzentration haben wir nur die Raststätte verpasst und landeten frustriert an einer Tankstelle dahinter, die keine angemessene Schnellladung ermöglichte, weswegen wir todesmutig dann bis Bellinzona Nord weitergefahren sind. Bergab wuchs die Reichweite dank Rekuperation beständig an, so dass wir wieder mit Ruhepuls die Ionity-Säulen erreichten, von denen die beiden freien allerdings nicht funktionierten. Dankenswerterweise gab es eine Alternative.
Dann kam (nach einem weiteren Stau an der Grenze) Italien. Das Land, in dem Elektromobilität noch nicht wirklich angekommen ist. Schnellader auf Autobahnparkplätzen? Fehlanzeige: Einzig die Tesla Supercharger, die es vor Jahren schon gab, waren nach wie vor vorhanden, aber auch nicht mehr. Den notwendigen letzten Stopp (s.o.) fanden wir in Gestalt einiger Ionity-Säulen bei einem McDonalds in Binasco. Dazu mussten wir allerdings erstmal von der Autobahn runter und durch die Zahlstelle raus (und später wieder rein). Mit der WeCharge Karte war dort bizarrer Weise nichts zu holen, so dass wir den gleichen Strom 20ct teurer mit der ADAC/EnBW-App bezahlten. Aber wir kamen an und fanden uns nach 14 Stunden in unserem Quartier ein.
Vor Ort in den ligurischen Städtchen und Dörfern gab es dann jeweils eine kleine Zahl von AC-Ladesäulen. Zugegeben, wir waren da vielleicht etwas blauäugig, weil unsere App sie uns als mögliche Ziele zeigte, doch in der Realität funktionierten 3 von 10 der getesteten Ladestellen. Defekte Säulen, nicht erkennbare Displays, nicht öffnende Steckerverriegelungen, die Bandbreite war groß. Entscheidend war aber: Wir fanden immer irgendwie Anschluss. Bei Lidl sogar mal kostenlos. Es gehört aber zur Wahrheit, dass das ständige Suchen nach Strom ein wenig genervt hat. Zumal das Finden einer funktionierenden (Einzel-)Säule oft hieß, dass es andere uns schon gleichgetan hatten und die vermeintlich „freie Säule“ doch belegt war. In Genua hat uns die (notwendige) Suche dann auch mal eine Stunde gekostet.
Die Rückfahrt war dann schon fast von Souveränität und Ausgebufftheit geprägt. Fast! Der erste Ladestopp sollte wieder Bellinzona sein. Das dortige Marché war für das Frühstück eingeplant. Die Reichweitenwarnung kam allerdings früher, so dass wir bereits 30km eher abgeleitet wurden. Nur um zu sehen, dass uns just in diesem Moment jemand zuvor gekommen war und die einzige Ladesäule besetzte.
Also allen Mut zusammengenommen und mit 50 km Restreichweite auf die Autobahn zurück um die verbleibenden 30 km zu bewältigen. Im Hinterkopf: Ging es nicht irgendwann krass bergauf? Es blieb einigermaßen flach, diesmal klappte auch Ionity, das Frühstück war lecker und die Schweiz zeigte sich fortan von ihrer besten Seite. Keine ernstzunehmenden Staus und bestes Wetter. Übrigens: Nördlich des Gotthards gibt es Ladeparks auf gefühlt mindestens jedem zweiten Parkplatz(!). So richtig mit mehreren Säulen und Dächern. Selbst da, wo es nicht mal für ein WC Häuschen gereicht hat. Nach der Erfahrung in Italien ein Traum. Den wir allerdings nicht in Anspruch nehmen mussten.
Wir hielten nochmal in Bremgarten und ganz kurz in Bensheim (Aral Pulse) und schwupps, waren wir nach 11 1/2 Stunden auch schon wieder zuhause.